Pacific – Isla Robinson Crusoe – in der Kinderstube der Robben vom 20.4. bis 28.4.2015

Am Montag, den 20.4. haben wir die chilenischen Kanäle endgültig verlassen und befinden uns auf dem Pacific. Bis November wollen wir in Neuseeland sein. Unser erstes Ziel sind die chilenischen Inseln Juan Fernandez mit der Isla R. Crusoe. Bis dorthin sind es etwa 550 Meilen und 4 bis 5 Tage Reise. Der Wind ist moderat aus südlichen Richtungen, der

Himmel bedeckt. Wie immer, halten wir Ausschau nach Möwen (alles was über dem Wasser fliegt ist schließlich Möwe, wie z.B. die Albatros-Möwe, nach Delphinen und Robben, anderen Schiffen und Booten. Letztere werden wir jetzt wahrscheinlich nur noch gelegentlich auf dem Plotter in weiter Entfernung sehen. Der erste Nachmittag unserer Reise hält dann doch noch eine Überraschung für uns bereit. Wir wollen gerade damit anfangen, das Abendessen zu zubereiten, als wir backbord von PACIFICO im Meer weiße Lichtreflexe sehen. Es dauert etwas, bis wir erkennen können, dass es sich um eine Gruppe von Fischen handelt. Bald tauchen über den weißen Fischkörpern schwarze Finnen auf. Und sie bewegen sich unheimlich schnell. Viel schneller als wir es von den Delphinen kennen. Trotz einer Entfernung von unter hundert Metern sind sie gut zu erkennen. Sie sind also auch grösser als Delphine. Wir kommen zu dem Schluss, dass es sich um eine Gruppe von Orkas handelt, die aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sie unterwegs sind, eindeutig auf der Jagd befinden. Sie werden außerdem von einem Schwarm Möwen verfolgt, die auf ihren Anteil an Beute hoffen. In weitem Bogen bewegen sie sich hinter PACIFICO auf die Küste zu. Es dauert eine Weile, und sie waren schon fast Außer Sicht, da kommen sie zurück und schwimmen in Richtung Westen. Aufregend. Wir können sie noch eine ganze Weile beobachten bis sie endgültig nicht mehr zu sehen sind. Der Himmel bleibt auch die nächsten Tage überwiegend bedeckt. Deshalb können wir wohl die Aschesäule des Vulkans nicht sehen, wenn wir zurückblicken. Die wenigen Tage nach der Isla Robinson Crusoe sind unsere Einstimmung auf den langen Törn nach Französisch-Polynesien, erstes Ziel sind die Marquesas. Es ist ein neuer Tagesrhythmus, der sich jetzt einspielt. Haben wir die letzten Wochen nachts immer vor Anker gelegen, so geht unsere Reise jetzt ja auch nachts weiter. Es wird in einem anderen Rhythmus geschlafen. Anfangs stellt sich Hermann noch einen Wecker für die mindestens stündlichen Kontrollen, später dann geht es ganz von alleine mit dem Wach-Schlaf-Wechsel. Wir melden immer noch zweimal am Tag unsere Position der chilenischen Armada und natürlich unseren Kompetenz–Centren in Hamburg und Lugano. Auch das, und das Empfangen der Emails gehört zu unserem Tagesablauf. Der Tag beginnt mit einem Becher Tee und außerdem mit einem Apfel (für Hilde). Wir sind gespannt, ob wir genügend Äpfel gekauft haben, damit sie bis zu den Marquesas reichen. Um eine mögliche Abwechslung in unseren Speiseplan zu bringen, wird auch die Angel wieder täglich ausgeworfen. Vielleicht beißt ja doch noch einmal ein Fisch an. Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Nach dem kleinen Fisch vor Mar del Plata waren wir in dieser Hinsicht allerdings nicht besonders erfolgreich. Wobei wir in den Kanälen häufig auf Versuche, einen Fisch zu fangen, verzichtet haben, um nicht eine Robbe oder eine Möwe anschließend von unserem Haken befreien zu müssen, oder weil sich doch nur treibender Kelb (Wasserpflanzen) darin verfangen haben. Dabei ging dann auch schon mal der eine oder andere unserer Köderfische verloren. Hier draußen sollte das ja wohl kein Kelb sein, oder??? Wow, tatsächlich ein Fisch!!! Uns packt das Angelfieber. Wie bekommen wir den Fang jetzt an Bord? Erst einmal Geschwindigkeit aus PACIFICO heraus, also die Genua einrollen. Dann mit der Angel längsseits, damit wir unsere Bemühungen zu zweit fortsetzen können. Der Versuch, den Kescher unter den Fisch zu bringen, endet damit, dass sich das Netz ebenfalls in den Haken des Köderfischs verfängt. Doch dann gelingt es uns mit vereinten Kräften unseren Fisch an Bord zu bringen. Wir haben einen 10 kg schweren Thunfisch gefangen. Nach dem filetieren bleiben uns davon 6 kg Fischfleisch zum Verwerten: Kartoffel-Gemüse-Thun-Auflauf, Tallarine (Nudeln) mit Tomaten-Thun-Gemüse-Soße, Thun in Früchte-Curry-Soße (schmeckt nicht wirklich) und Thun eingekocht in Glaeser für Pizza oder Salat. Letzteres probieren wir in zwei Varianten aus: einmal in Salz und Wasser und einmal in Öl den rohen Fisch in die Glaeser und einkochen. Gar wird der Fisch durch die Hitze, mit der die Glaeser im Drucktopf haltbar gemacht werden. Das Ergebnis des Einkochens wird von uns kritisch probiert. Es schmeckt „fischiger“ als der übliche Dosen-Thun, aber durchaus lecker. Wir kommen zu dem Ergebnis, es beim nächsten Mal mit Öl zu machen, aber den rohen Fisch vorher zu salzen. Am Freitag, den 24. April ist Toscas Geburtstag. Wir denken an sie, wie wohl in Deutschland ihren besonderen Tag verbringt und wie wohl die geplante Geburtstags-Schlaf-Party mit ihren Freundinnen sein wird, den Spaß, den es ihr machen wird. Es ist der erste Tag, an dem die graue Decke des Himmels wirklich aufbricht, der Pacific leuchtend blau ist, der Wind wenig, dafür aber stetig aus südlichen Richtungen weht. Wir setzen den 125 qm großen blau-gelben Blister um den leichten Wind gut aus zu nutzen und damit die letzten Meilen bis zu unserem Zwischenstopp möglichst noch heute zu erreichen. Am frühen Nachmittag können wir in fast 50 Meilen Entfernung die Insel erstmals ausmachen. Wir sind gespannt darauf, was uns erwartet und wo der „echte“ Robinson damals wohl gelandet ist, über 350 Meilen vor der chilenischen Küste. Es wird Abend und wir beschließen den Blister auch in der Dunkelheit noch oben zu lassen. Aber so dunkel ist es dann doch nicht. Der Mond erhellt uns durch die aufgebrochene Wolkendecke den Weg und den Blick auf die Felsen der Insel, der wir uns nähern. Segel-Romantik pur! Der große Blister im leuchtenden Mondlicht und PACIFICO gleitet sanft durch den Pacific im auf und ab der Wellen. Es ist schon fast 23.00 h als wir Kontakt zur Insel-Armada aufnehmen, um nach einem Ankerplatz zu fragen. Man sieht uns und gibt uns die Richtung an, in der wir in die Bucht laufen sollen. Und wir könnten in 35 m Tiefe ankern. Kein Problem. Kein Problem? Für ein Segelboot unserer Größenordnung?! Wir haben gerade mal 80 m Ankerkette und die Regel besagt mindestens das Vierfache der Wassertiefe ist für sicheres ankern erforderlich. Also fragen wir erneut nach einem Ankerplatz und bekommen daraufhin dann doch eine bessere Möglichkeit genannt. Alles geht gut und nach ein paar Sicherheitsrunden lassen wir den Anker in Küstennähe zwischen diversen Fischerbooten fallen. Wirklich ruhig ist der Ankerplatz jedoch nicht. Der Schwell des Pazifiks lässt PACIFICO ständig hin und her schaukeln. Etwas, dass wir wohl auch an zukünftigen Ankerplätzen so haben werden. Die Zeit der meist dann doch sehr ruhigen und geschützten Ankerplätze der Kanäle ist eben vorbei. Dennoch haben wir eine ruhige Nacht und sind überrascht, über den Ausblick auf den Ort, der sich uns am nächsten Morgen bietet. Die Insel soll 600 Einwohner haben, Familien, die die Zeit von April bis November jedoch auf dem Festland verbringen. Vor uns liegt jedoch ein Ort mit Straßen, Autos, Holzhäusern, Ferienhäusern, diversen Baustellen – unter anderem ein Krankenhaus – einer relativ großen Mole und direkt um uns herum unzählige kleine Fischerboote. Es ist nicht die Robinson-Insel, wie im Film. Also keine Palmen, dafür meterhohe Eukalyptusbäume, ein nur sehr kleiner schmaler Strand, kaum zum Baden geeignet. Überhaupt sieht es hier auch nicht wie Südsee aus. Wir erfahren, dass die Insel ein auf der Welt einmaliges Klima hat. Wald und Wüste liegen in unmittelbarer Nachbarschaft. Bestimmte Vögel und Fische gibt es nur hier. Dadurch liegt die Insel im internationalen Forschungs- und Naturschutz-Interesse. Mit Pacifica, dem Beiboot, geht es an Land und natürlich erst einmal zur Armada. Hier ist man freundlich und hilfsbereit, wir es auf unserer ganzen Reise durch Chile erlebt haben. Bei unserem Rundgang durch den Ort, kommen wir an der Prefectura vorbei und weil dort ein Polizist vor der Türe in der Sonne steht, gehen wir auf ihn zu und sagen wir im aus Höflichkeit „Guten Tag“. Daraus entwickelt sich ein sehr nettes Gespräch und wir erfahren das eine und andere wissenswerte über die Insel. Es gibt Restaurants, die meisten allerdings jetzt außerhalb der Saison geschlossen, kleine Läden und Internet für jedermann in der Bibliothek. Die meisten Häusers sind neu, gepflegt, es gibt Grünanlagen, Spielplätze, viele Blumen, Gärten und auch einige große Gewächshäuser. Und auch hier, wie in Puerto Aguirre, Tsunami-Warnschilder und Schilder, wo die Tsunami-sichere Zone beginnt. Von unserem Kompetenz-Centrum Hamburg und später der Armada erfahren wir, dass der Ort 2010 von einem Tsunami zerstört wurde. Das erklärt einiges, insbesondere die relative neue Mole und Hafenanlage, wie auch die neuen Häusers, Geschäfte und Restaurants in Ufernähe. Den Flughafen am anderen Ende der Insel, ca. 8 Meilen entfernt erreicht man in der Regel mit dem Motorboot in ca. 1 Stunde Fahrtzeit oder eben zu Fuß in 6 bis 8 Stunden durch die Berge. Es führt dort keine Straße hin. Dort landen und starten kleine Maschinen, die 10 bis 12 Passagiere mitnehmen können. Das Versorgungsschiff kommt sonntags, alle drei Wochen und bleibt drei Tage zum Be- und Entladen. In der Bucht, in der wir vor Anker liegen, ist 1915 das deutsche Kriegsschiff „Dresden“ durch ein französisches Schiff gesunken. Die Schiffsglocke und Bilder sind in der Bibliothek zu sehen. Da fragt man sich doch, was die Kriegsschiffe hier wohl zu suchen hatten – so weit weg von Deutschland!!! Am Montagnachmittag melden wir uns endgültig bei der chilenischen Armada ab und werden nur noch per Seamail in den nächsten Tagen bis zum Verlassen der chilenischen Gewässer unsere Position durchgeben. Zum Abschied werden wir von dem Offizier noch mit Kugelschreibern und Informationsmaterial beschenkt. Wer hat denn so etwas schon einmal von einer Behörde erlebt?! Wir haben uns durch den engen regelmäßigen Kontakt immer sehr gut aufgehoben gefühlt. Die Offiziere, mit denen wir gesprochen haben, waren immer freundlich und hilfsbereit. Die Bürokratie war einfach und unkompliziert. Vielen Dank CHILE für die Gastfreundschaft. Unsere letzte Nacht in Chile verbringen wir in der Bahia Padre, am westlichen Ende der Insel. Dort ist auch der Landgang, wenn man zum Flughafen möchte. Und hier ist die „Kinderstube der Robben“. Die Bucht hat einen Anlegesteg für das Motorboot des Flughafentransfers und ist umgeben von gelb bis rötlichen Bergen und Klippen unter denen auf ins Wasser ragende Felsen Robben faul herumliegen. Vor einer in die Felsen hineinragende Höhle liegt der „Chef“ der Kolonie und macht sich lautstark bemerkbar. Am Strand, links und rechts vom Anlegesteg, wimmelt es von kleineren „halbstarken“ Robben und Robben-Babys, die hier offenbar abgesondert von den großen Tieren auf den Felsen, ihr eigenes Reich haben. Sie lassen sich kaum von uns stören, als wir näherkommen, um Fotos zu machen. Die „Halbstarken“ bereiten sich spielerisch auf ihr Erwachsenleben vor. Wir beobachten, wie sie miteinander kämpfen, sich jagen oder versuchen einen auf einem Felsen im Wasser errungenen Platz zu verteidigen. Die ganz kleinen süßen Robben-Babys liegen auf dem Steg und schlafen. Ein ganz mutiger und vor allem sehr neugieriger Halbstarker kommt, um zu sehen, was Hermann in der Hand hat. Letztendlich verschmäht er jedoch das Stück Thun, dass ihm angeboten wird. So nah an diese wildlebenden Tiere heran zu kommen ist einfach ein ganz besonderes Erlebnis. Am späten Nachmittag verlassen wir die Robben und die Bahia Padre, um mit dem Humboldtstrom entlang der chilenischen Küste in einem weiten Bogen die nächsten 4.600 Meilen in die Südsee zu segeln.

 

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