Vanuatu- tropisches Paradies Anatom – vom 11.5. bis 19.5.2019

Die letzten 30 Meilen vor Vanuatu ziehen sich. Wären wir mit gleicher Geschwindigkeit, Wind und Welle wie die Tage zuvor unterwegs gewesen, hätten wir Anatom (Vanuatu) in den frühen Morgenstunden des 11. Mai erreicht. So haben wir seit dem Vorabend mit Regen-Squals in Böen bis zu 39 Knoten und 4 Meter Welle zu kämpfen. Ziemlich schaukelig, denn wir trauen uns in her Nacht natürlich nicht auszureffen, wenn uns im nächsten Moment wieder so ein Squal erwischen kann.

Die Pacifico ist schon vor Ort und “fegt den Ankerplatz”. Morgens um 5.30 h, 25 Meilen vor Anatom, kommt die vertraute Stimme über VHF „Amiga, Amiga für Pacifico. Seid ihr da?“ Hermann ist klar und deutlich zu hören, doch uns nimmt er nur als Rauschen war. Erst gegen 7.00h sind wir nah genug, dass er uns auch versteht. Trotzdem bin ich doch ziemlich von der Reichweite des Funkgerätes beeindruckt, denn auf AIS sehen wir die Pacifico erst sehr viel später. (VHF und AIS haben auf der Amiga eigentlich nur eine Reichweite bis maximal 8-10 nm). Gegen Mittag erreichen wir dann endlich das vorgelagerte Riff, holen die Genua ein  und drehen rein in die Ankerbucht von Anatom. Wir haben für die Fahrt von Neuseeland hierher 7 Tage und 23 Stunden gebraucht.
Grundsätzlich ist Anatom kein Port of Entry. Doch Simon von Vanuatu Customs hat uns mitgeteilt, dass wir hier am 15.5. einklarieren könnnen, weil einer der Offiziellen an diesem Tag herkommen soll. Hermann war nach seiner Ankunft an Land gegangen und hatte sich hierzu schon kundig gemacht. Ja, Customs kommt am Dienstag und Mittwoch, weil am Wochenende zwei Kreuzfahrtschiffe erwartet werden. Glück für uns. Doch dann war Hermann noch zur hiesigen Polizeistation gegangen und hatte dort nur die Erlaubnis bekommen, hier für eine Nacht zu bleiben. Ohne einklarieren müsste er innerhalb von 24 Stunden wieder Anker auf gehen und weiter nach Tanna oder Port Vila segeln. Ohne Einklarieren darf hier keiner ankern und muss nach einer Nacht ausruhen gleich wieder abfahren.


Nach unserer Ankunft mache ich das Dingi fertig, um mit Hermann, der zwischenzeitlich eine Bleibe-Erlaubnis-Mail von Customs Port Vila bekommen hat, an Land zu gehen. Innerlich mache ich mich schon mal auf eine freundliche Auseinandersetzung mit diesem Polizeibeamten bereit. Ich habe so ein Schreiben von Simon, so heißt der Beamte in Port Vila, nun ja noch nicht. Jedoch will ich hier mindestens bis zum 15. bleiben und dann wie geplant einklarieren. Polzeigewalt hin oder her.  Und eigentlich typisch für die Südsee – heute ist Samstag, also Wochenende und die Polizeistation ist natürlich nicht besetzt. Justin, so heißt der Polizist, ist in der Kirche, erfahren wir von anderen Leuten, die wir auf unserem Weg treffen. Wir lassen die ausgedruckte Mail aus Port Vila mangels Briefkasten gut sichtbar an einem Fenster der Polizeihütte zurück. So kann er wenigstens sehen, dass wir hier waren, uns bemüht haben und damit unseren Respekt gegenüber seiner amtlichen Position bewiesen haben. Ich schicke noch eine Ankunftsmail nach Port Vila an Simon und schreibe ihm, dass ich bis Dienstag hier auf Customs warten und mich selbstverständlich nicht vor dem einklarieren frei an Land  bewegen werde.

Es gibt auf der Amiga bis dahin genug zu tun, dass uns nicht langweilig wird. Auch wenn wir natürlich alle an Land möchten – gerade nach so einer Überfahrt.Heute feiern wir also noch nicht wirklich unsere Ankunft, sondern erst einmal Phil’s Geburtstag. Mein Geschenk an ihn ist die pünktliche Ankunft in Anatom. Und das Geschenk von Hermann ist ein Abendessen mit MahiMahi, den er am Vortag gefangen hatte. Gegrillter frischer Fisch mit Beilagen – es könnte uns schlechter gehen. Doch lange geht die Feier nicht. Um 21.30h, eine halbe Stunde nach „Sailors Midnight“, liegen wir in unseren Kojen. Die letzten Meilen hierher waren doch etwas mühsam gewesen und wir alle sind mehr oder weniger geschafft und müde.


Phil und Babs sind begeistert von dem in sämtlichen Blau- und Türkistönen leuchtenden Meer, dem Blick auf das grüne Anatom und  hinüber zum langen Sandstrand von Mysterie Island, dem Ziel der Kreuzfahrer am kommenden Wochenende.Ich bin noch nicht so wirklich angekommen in der Südsee. Oder ist es einfach auch schon etwas zu Gewohntes? Anatom ist eine üppig grüne Insel mit bis zu 800 Meter hohen Bergen vulkanischen Ursprungs. Auf der Karte sind 4 Flüsse eingezeichnet. Also gibt es hier auch Frischwasser und die Menschen sind nicht auf Regenwasser angewiesen. Die böigen Regen-Squals gehen auch hier am geschützten Ankerplatz immer mal wieder über uns hinweg und es weht ein durchweg  kräftiger Wind, der draußen auf dem Meer für weiße Schaumkronen sorgt. Selbst vom Ankerplatz sind die gewaltigen Wellen, die sich draußen am vorgelagerten Riff brechen, gut mit bloßem Auge zu erkennen. 


Neben anstehenden Arbeiten, alles noch kleinere Restanten meiner  To-Do- Liste aus Neuseeland, finde ich in dieser Zwangs-Wartezeit auch endlich mal wieder Zeit für eine richtige Maniküre und Pediküre. Meine Hände sahen eher nach einem Mechaniker aus bei unserer Abreise in Neuseeland oder besser Friedhofsgärtner? als nach weiblich gepflegten Händen mit sauberen Fingernnägeln. Der Lack an den Fußnägeln war aufgepeppt durch weiße und rote Farbspritzer des Amiga-Anstrichs auf dem Hardstand. Nun gab es für mein Wohlfühlgefühl auch frischen Lack für die Zehennägel. Nach etwa zwei Stunden war ich mit dem Ergebnis zufrieden. Für ganze 20 Minuten. Ich musste schließlich die Bilge noch trockenlegen, denn der Motor hatte etwas Diesel geleckt. Als ich danach auf meine Füße schaue, durchjagt mich eine Welle des Frusts und meine Laune sinkt augenblicklich auf unter den Gefrierpunkt. Und das am Montagmorgen. 


Kurz darauf unternehme ich in entsprechender Laune mit Hermann noch einmal einen Versuch mich zumindest auf der Polizeistation zu melden. Doch die Station ist nach wie vor verwaist. Auf unserem Weg treffen wir Christopher, der uns zu sich nach Hause einlädt. Wir folgen ihm auf einem schmalen Pfad und durch dichtes Grün zu seinem kleinen aus mehreren Hütten und Dachüberständen bestehenden Anwesen. Er will uns nicht ohne frische Früchte zurück an Bord lassen. Mit einer langen Stange pflückt er Grapefruits und Papaya von den Bäumen, die er geschickt auffängt bevor sie zu Boden fallen können.  So bekommen wir eine Tasche voller Früchte geschenkt bevor wir mit dem Dingi vom Strand zurück über die Bucht zum Ankerplatz fahren.Auf die süßen saftigen Grapefruits zum Frühstück freue ich mich besonders. Seit den Marquesas vor vier Jahren vermisse ich diese leckeren Früchte. Dort gab es sie reichlich, wie hier scheinbar auch. In den vergangenen Jahren hatten wir uns gewundert, dass auf den anderen Inseln, die wir besucht haben, es offenbar keine oder nur sehr wenige Grapefruitbäume gibt. 


Dieser kleine Ausflug hat mich sämtlichen Frust des Morgens vergessen und auch mich in der wunderschönen Inselwelt der Südsee wieder ankommen lassen. Diese freundlichen Menschen sind einfach gut für die Seele. Die Ruhe und Gelassenheit, die Freundlichkeit, dass offene Wesen, mit denen sie uns begegnen, bringt innerlich bei mir alles in Einklang. Es fällt mir sehr schwer, dass gedanklich mit dem Leben in Deutschland zu messen. Sosehr ich auch Familie und Freunde vermisse, so wohl fühle ich mich gleichzeitig hier und vor allem an Bord der Amiga. Und auch die Schuldgefühle, die ich anfangs zum Beispiel in Tonga empfunden hatte, als wir an diesen ärmlichen Hütten vorüberfuhren, sind verschwunden. Ich habe nicht mehr das Gefühl, zuviel zu haben. Also mehr als die Menschen, die in so einer Hütte leben. Ich habe nicht mehr das überstarke Gefühl etwas tun oder geben zu müssen, aus schlechtem Gewissen, weil wir an Bord so gut ausgestattet sind. Das Bedürfnis zu werten, zu vergleichen, hat sich verloren. Diese Menschen hier leben hier ihr Leben. Und auch wenn die westliche Welt bei Ihnen Wünsche und Bedürfnisse weckt, die sie vorher nicht kannten, so ist es doch ihre Art, ihre Kultur. Was nicht heißt, wenn wirklich etwas fehlt, dass ich es nicht gerne gebe. Das ist Bestandteil meines Wesens und hat damit nichts tun. Das ist ein Geben auf einer anderen Ebene.


Wir alle sehnen den Dienstag und das einklarieren herbei, damit wir endlich an Land und auf Entdeckungsreise gehen können.Ich stecke gerade mal wieder mit dem Kopf im Motorraum, als Phil von oben ruft „Customs kommt!“ Schnell ziehe ich mir etwas Sauberes an, schnappe die Bootspapiere und Pässe und schon bin ich im Cockpit – bereit fürs einklarieren. Fehlalarm. Das Flugzeug von Tanna ist zwar auf Mysterie Island gelandet, aber von dem Customs Beamten ist noch nichts zu sehen. Nach einer guten Stunde wird auch Hermann auf der Pacifico unruhig und fragt an, wie wir uns jetzt verhalten. Vielleicht sollten wir an Land fahren, um die Lage zu sondieren? Wir vereinbaren noch eine weitere halbe Stunde zu warten, bevor wir uns ins Dingi setzen und zum Strand hinüber fahren. Und gerade als ich los will, um den Pacifico-Captain einzusammeln, kommt ein weißes kleines Motor-Boot mit drei Männern angefahren, fragt ob wir einklarieren wollen, und bittet uns an Land zu kommen.


Weder Pacifico noch Amiga haben jemals etwas so,unkompliziertes erlebt. Zwei Formulare ausfüllen, ein paar Fragen beantworten und schon haben wir unseren Stempel im Pass und Biosecurity erledigt. Wir müssen nichts von unseren Lebensmitteln verbergen oder wegwerfen. Nur an Bord lassen müssen wir unser Zeug. Und ich hatte mir schon überlegt, was ich rausrücken will und was nicht. Der Customsbeamte ist jedoch nicht mit von der Partie. Diesen Part müssen wir dann doch auf Tanna oder in Port Vila erledigen. So oder so wollen wir auf jeden Fall in Port Vila Simon (Customs) besuchen. Diesen Beamte, mit dem wir einen wirklich sehr netten Mailkontakt hatten,  möchten wir auch persönlich kennen lernen.
Das Einklarieren ist jedesmal wieder ein Erlebnis. Es ist immer anders, bereitet uns manchmal vorher schon Bauchschmerzen, und ist selten, wie wir es erwarten. Es ist ja nicht so, dass wir, wie beispielsweise mit dem Flugzeug,  mit begrenztem und bereits durchleuchtetem Gepäck einreisen. Wir kommen quasi mit „Haus und Hof“ ins Land und nicht selten ist das, was wir ja eigentlich nur für unsere eigenen Bedürfnisse an Bord haben, reglementiert oder sogar verboten. 

Q
In Anatom stehen jetzt diverse Landgänge und der Besuch von Mysterie Island auf dem Programm. Meine Crew ist froh, dass sie auch endlich von Bord dürfen. Wir wandern durchs Dorf, sprechen mit den Menschen, die uns begegnen. Es soll auch Internet geben und ich ergattere tatsächlich die letzte verfügbare SIM Karte auf der Insel. Die Datenkapazität, die damit zur Verfügung gestellt wird, ist allerdings sehr gering. Nach einem halben Anruf in Deutschland via Skype, ist das Daten-Volumen direkt erschöpft. Ich beschließe erst einmal in Bezug auf dieses Thema auf Sparflamme zu bleiben und mich dann, wenn wir in Port Vila sind, besser auszustatten.


Unseren Ausflug nach Mysterie Island machen wir, als der erste Kreuzfahrer morgens beim ersten Tageslicht auftaucht. Es ist ein unglaubliches Spektakel. Die Insel mit dem Airstrip ist kaum einen Kilometer lang und noch weniger breit. Rund 2.600 Menschen werden dann mal eben dort ausgekippt, damit sie „Südseeinsel pur“ erleben dürfen. Die Einheimischen, die von diesen Events größtenteils leben, haben seit Tagen die Insel vorbereitet, ihre Verkaufsstände dort aufgebaut, bieten Tauch- und Schnorchel Touren und alles mögliche andere an.Für mich ist es insofern nicht das, was ich erwartet habe, als an den Verkaufsständen eigentlich nur billige chinesische  Massenproduktionen angeboten werden, wie ich sie auch aus Fiji kenne. Holzarbeiten, Muschelketten oder sonstiges traditionelles Kunsthandwerk scheint es so gut wie gar nicht zu geben. Im Nachhinein werde ich erfahren, dass das an den australischen Einfuhrbestimmungen liegt und an verunsicherten Gästen an Bord der Kreuzfahrer, die nicht wissen, was sie mitnehmen dürfen und was nicht. Also wird seitens der Insulaner nur das Zeug aus China angeboten, denn das macht auf keinen Fall Probleme bei der Einreise in Australien. Schade, finde ich, und so sinnlos.


Nach einer Woche in dieser wunderschönen und sehr geschützten Bucht zieht es uns weiter nach Norden. Dort soll es ein weiteres Dorf geben: Port Patrick. Der Wind bläst mit über 20 Knoten von schräg achtern und treibt uns schnell voran. Die Pacifico will zunächst eine andere Ankerbucht auf dem Weg nach Port Patrick erkunden, die auch im Norden der Insel liegt. Schnell steht für uns fest, dass diese Bucht aller Wahrscheinlichkeit nach geschützter sein wird, als unser eigentliches Ziel. So bleiben wir gleich hier in der Itschepthav Bay. Der Schwell kommt hier aus Nordwesten und macht es nicht wirklich bequem für uns. Ohne Wind legen sich die beiden Boote quer zum Schwell und es schaukelt zum Teil ganz heftig. In Port Patrick wird es noch mehr sein. Da hilft auch nicht das dramatisch schöne Panorama der mit dichtem Urwald bewachsenen Berge um uns herum. 

Am nächsten Morgen verabschieden wir uns kurz nach Sonnenaufgang von der Insel Anatom und segeln weiter Richtung Tanna. An diesem Morgen können wir die 40 Meilen entfernte Insel schon gut erkennen, auch wenn sie von einem dunstigen Schleier umgeben ist. Der höchste Berg an der Südküste hat laut Karte eine Höhe von 1041 Metern und ist weithin sichtbar.Während der ersten Stunde fahren wir noch im Windschatten von Anatom und laufen unter Motor. Auch wenn es schönes Wetter ist, kommt der Wind zu achterlich und wir rollen hin und her, werden von bis zu 3 Meter hohen Wellen durchgeschüttelt. Meist reicht die Stärke des Windes bei diesem bewegten Wasser nicht aus, um die Amiga ruhig laufen zu lassen. Ein eher ungemütlicher Segeltag, trotz Sonnenschein. 


Wir nähern uns am frühen Nachmittag der Landzunge, hinter der wir vor Anker gehen wollen. Die Seekarten geben nicht wirklich etwas her und ich muss sagen, ich betrachte die Küste und vor allem die sich auf Riffen brechenden Wellen eher misstrauisch. Mit ausreichend Abstand zu den sichtbaren Riffen segeln wir zunächst weiter nach Norden, bevor die Amiga in einem großen Bogen auf die nun vor uns liegende Steilküste zuhält. Wo soll denn hier bitte schön die geschützte Ankerbucht sein, die ich schon mal auf einem Foto gesehen habe? Auf AIS kann ich die Pacifico sehen, vor mir aber nur Steilküste. Irgendwo muss es da also ein Loch geben, in das die Pacifco schon hineingesegelt  ist!!! Hermann gibt unterstützende Informationen über Funk.  Ok. Noch ein Riff und weiter auf die Steilküste zuhalten und dann kann ich die Pacifico wirklich sehen und nicht nur auf AIS.
So erreichen wir Nachmittags gegen 15.30h Port Resolution in Tanna.  Die Pacifico ist schon eine Stunde vor uns da und konnte im Sonnenschein den nicht kartographierten Ankerplatz auskundschaften. Gut für uns. So braucht die Amiga nur neben die Pacifico zu gleiten, Anker runter und gut. Auch hier ist der Ankerplatz etwas schwellig, aber bei weitem nicht so unruhig, wie der, den wir in der letzten Nacht hatten. Und das ist auch gut so, denn wir wollen hier ja etwas bleiben.
Hier soll es ein Ressort und einen Yachtclub geben. Wir sehen Leute am Strand und außerdem genau drei Hütten. Eine davon mit einigen Badekajaks davor. Das wars. Wir werden das Morgen früh genauer erkunden. Für heute reicht es uns. Alle sind müde und liegen nach dem Abendessen schon gegen 19.30h in der Koje. Wir werden immer früher. Naja, im Moment geht die Sonne hier um 17.10h unter. Das ist wie Deutschland im Winter.

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