Neuseeland – 9 1/2 Tage nach Tonga – Teil II – vom 2.5. bis 11.5.2018

Die letzte Nacht am Anker. Dann früh morgens die kurze Fahrt in die Marsden Cove Marina zum Ausklarieren. Bruce, Customs Newzealand , wird erst gegen 10 Uhr kommen. Für uns Zeit für ein Frühstück und die letzten Sachen zu verstauen. Ich sende noch einmal eine Testmail über das Iridium to Go und hole Wetterdaten ein.

Um 11.45 Uhr ist es dann so weit. Wir verlassen Neuseeland Richtung Tonga. Draußen weht mit um die 20 Knoten ein guter Wind. Das sollte ein guter Start werden. Also Grosssegel hoch. Grosssegel hoch??? Geht nicht. Nur wenige Meter und dann stoppt es. Na, das fängt ja gut an! So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Aber immer mit der Ruhe. Vor uns liegt ja noch die Urqhuartsbay. Dort ist es windgeschützt und wir werden dort das Problem beheben.
In der langen Zeit in der Marina haben sich ein Fall und die Lazyjacks am Mast vertüddelt. Hätte ich auch mal vorher kontrollieren können. Kurze Zeit später ist das Segel oben und wir machen uns wieder auf dem Weg raus aus der Flussmündung und um den Bream Head.
Bei dem frischen Wind steht hier eine steile Welle und der hohe Schwell vom Pazifik bewegt das Meer zusätzlich. Der Bug der Amiga taucht ein und schon ist das ganze Vorschiff überspült. Eine Welle nach der anderen geht übers Deck. Gut das die Tide mit uns ist, sonst würden wir hier gar nicht heraus kommen. Diese Erfahrung musste ich im Februar schon einmal machen, wo ich dann umkehren musste und eine bessere Wettersituation abwarten.

Eine Stunde später sind wir frei vom Kap, lassen die Genua raus und legen den Kurs an. Wie vor zwei Jahren möchte ich südlich unter den Kermadecs durch und danach dann direkten Kurs Tonga anlegen. Wahrscheinlich werden wir einen Flautentag zwischen zwei Wettersystemen haben, doch ansonsten sollte es genügend Wind für die schwere Amiga geben, um gut voran zu kommen.
Je weiter wir uns von der Küste entfernen, je stärker wird der Wind. War das so vorhergesagt? Hatte Hermann nicht heute morgen noch etwas von bequemen 20 Knoten Wind geschrieben? Naja 25 hatte ich aus der Wetterkarte gelesen. Die verschiedenen Wettergrips zeigen ja unterschiedlich an. Doch mittlerweile sind wir bei 30 Knoten. Und die Windrichtung? Es sollte halber Wind sein, doch es ist einer guter Am-Wind-Kurs, der uns so manche Welle an Deck beschert. Zeit zum Reffen und Vorbereitungen für die Nacht zu treffen.

Aus meiner Erfahrung der letzten Reise mit Thomas von Fiji hierher übernehme ich wieder die Nachtwache von 1 Uhr bis morgens um 5 Uhr. Damit komme ich gut zurecht, auch wenn ich in der ersten Nacht noch recht müde bin. Andererseits halten mich die die Wetterbedingungen wach. Due Kälte. Das überkommende Wasser veranlasst mich dann, einen besseren Kurs zu suchen. Ein paar Grad abfallen sollte etwas weniger Wasser an Bord bringen.

Der kräftige Wind in Spitzen bis zu 40 Knoten hält fast drei Tage an, bevor er sich bei im Schnitt 25 Knoten einpendelt. Nach zwei Tagen schafft Ben es dann auch die erste Wärme Mahlzeit zu zaubern. Er hatte zunächst mit dem „wachsen der Seebeine“ genauso zu kämpfen wie ich und für Ole gab es da nur kalte Küche. Achselzuckend meint er dazu, ein paar Kilo weniger auf der Waage sind ja auch nicht schlecht.

In das neue Badfenster ist das alte Bullauge wieder eingebaut worden. Ein Fehler, wie sich jetzt heraus stellt. Es ist undichter als zuvor. Es dauert jedoch etwas, bis ich herausgefunden habe, woher das viele Wasser in der Bilge kommt, das vor allem unter dem Badfussboden herumschwappt. Hatte ich noch erst den neu eingebauten Wassermacher in Verdacht, weil ja dafür ein nicht genutztes Seeventil reaktiviert wurde, klärt sich der Fall jedoch bei meinem nächsten Gang ins Bad. Während ich mir die Hände wasche, bekomme ich eine Dusche von oben. So ein Schiet!!!! wie der Norddeutsche sagt. Und die Bilgepumpe ist auch nicht wirklich willig, der Situation her zu werden. Schon gar nicht bei der Schräglage.
Ich nehme es letztendlich gelassen. Davon wird die Amiga nicht untergehen. Wenn es ruhiger wird, ist immer noch Zeit, dass Wasser wieder hinaus zu befördern.

Etwas anderes macht mir viel mehr Sorgen. Ich kann keine Mails senden und keine Wetterdaten herunterladen. Das Iridium stellt einfach keinen Kontakt zu den Sateliten her und initialisiert in deiner Endlosschleife. Mehrere Tage versuchen wir alles mögliche, um das Gerät wieder zu laufen zu bekommen. Ohne Erfolg.

Das Iridium to Go muss doch irgendwie zum Laufen zu bekommen sein – kein Kontakt zur Außenwelt

Hoffentlich kann uns das Kompetenzzentrum Hamburg auf AIS sehen und sehen, dass wir unterwegs sind und alles in Ordnung ist.
(Und wie ich dann im Nachhinein erfahren werde, hat sich Henning tatsächlich gekümmert. Er hat in Bremen angerufen, die Situation geschildert und dass bei ihm nicht die für täglich vereinbarten Positionsmeldungen eingegangen sind. Bremen ortet darauf die Amiga über das AIS und gibt Entwarnung. Die Amiga ist gerade mit 5 Knoten unterwegs Richtung Tonga. Nachdem Henning erst einmal ein gesicherte Position der Amiga hat, kann er uns einem anonymen Symbol auf der Karte zuordnen und uns weiter folgen, was nicht so einfach ist. Danke Henning, dass du ein so tolles Kompetenzzentrum bist und letztendlich auch meine Tochter beruhigen konntest, die sich natürlich auch schon Sorgen machte.)
Am Wetter können wir jetzt ohnehin nichts ändern. Da müssen wir durch. Die Vorausschau hatte jedoch gezeigt, dass kein wirklich schlechtes Wetter im Anmarsch ist und ich mir ab den Kermadecs eher über zu wenig Wind als zu viel Wind Gedanken machen muss.
Doch abgeschnitten zu sein, keine Nachrichten senden zu können, ist ein beunruhigendes Gefühl. Im Seenotfall hätten wir nur die neue EPIRB, um Hilfe herbei zu rufen.
Diese Erfahrung mit dem Iridium bewirkt bei mir, dass ich am Jahresende in Neuseeland ein Funkgerät mit Pactormodem einbauen lassen werde. Eine nicht geplante teure Investion, die aber jetzt ein gutes Sicherheits-Backup wäre. Auf der Pacifico haben wir damit nie größere Schwierigkeiten gehabt. Mein Vertrauen in die Satelitenkommunikation ist auf jeden Fall erheblich gestört.

Während meiner Vormittagswache am zweiten Tag schreckt mich ein lauter Knall hoch. Was war dass denn jetzt?! Suchend schaue ich mich nach der Ursache um. Ich blicke nach oben zu dem Baum über mir. Das kann doch wohl nicht war sein! Eine der Reffleinen ist gerissen. Nicht durchgescheuert, sondern einfach gerissen. Das Segel hat keine Spannung mehr.
Die Reffleine am Mast steht und ist soweit in Ordnung. Das ist schon einmal beruhigend. Und ich bin froh in dieser Situation erst einmal nicht allein zu sein. Ich rufe meine beiden Mitstreiter und binnen kurzem haben wir eine Hilfslösung. Alle drei sind wir froh, dass dies tagsüber passiert ist und nicht mitten in der Nacht.

Die gerissene Reffleine in meiner

Wenn wir angekommen sind, können wir in Ruhe neue Leinen durch den Baum ziehen und die restliche alte Leine, die noch im Baum liegt, herausziehen und entsorgen.

Obwohl alles gut verzurrt war, hat sich doch so manches an Deck bei diesem Wetter in Bewegung gesetzt. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Kräfte da so einwirken. Die verrutschte Deckskiste müssen wir ausräumen, um sie die paar Zentimeter wieder an ihren alten Platz zurück schieben zu können, als es wieder ruhiger ist.

Am vierten Tag auf See hat sich alles beruhigt. Alles findet sich. Wir hatten einen für uns harten Einstieg in diese Reise. Für mich ist es diesmal völlig anders als sonst. Vielleicht liegt es an der stressigen Zeit vor der Abreise. Vielleicht liegt es daran, dass ich diesmal wirklich ganz allein die Verantwortung habe. Für Ben ist es der erste Offshore Trip. Ole vermisst wohl eher den Komfort eines Catamarans und natürlich ist er mit den Bordsystemen und der Amiga auch noch nicht so vertraut. Das wird zum Ende der Saison ganz anders sein.
Ich komme einfach nicht in meine Ruhe, in das Gefühl zeitlicher Unbegrenztheit, die diese Reisen sonst für mich ausmachen. Und das wiederum fehlt mir sehr. Einzig die Bewegungen der Amiga, ihr Verhalten bei Wind und Welle, schenken mir kurze Glücksmomente und ein wohliges Gefühl.

Aber ich nehme auch keine ernstlichen Störungen wahr. Insgesamt ist unsere Stimmung gut. Nachdem wir Kurs auf Tonga genommen haben ist uns der vorhergesehene Flautentag beschert. Die Temperaturen sind merklich gestiegen.

Es wird langsamer wärmer – Zeit für eine entspannte Lektüre

Ein sonniger erholsamer Tag auf See. Ben und Ole sitzen meistens auf der Deckskiste und genießen die jetzt deutlich wärmeren Temperaturen. Auch die Angeln werden jetzt fertig gemacht und Ole hofft, dass er einen Fisch fängt. Im Abstand von rund 25 Meilen fahren wir in Sichtweite östlich der Kermadecs Richtung Norden.
Und wie schon vor zwei Jahren bekomme ich Besuch von einem kleinen Vogel, vermutlich einer Schwalbe, die auf meinem Kopf landet, um sich eine Weile auszuruhen. Ob es die gleiche Schwalbe ist wie damals, weil sie mich so zielsicher ansteuert?

Eine Schwalbe zu Besuch auf dem riesigen Pazifik

Ein weiterer Tag, an dem der Wind immer mal wieder schwächelt, doch dann rauschen wir nur mit Genua und Besan bei halbem Wind Richtung Tonga.
Immer mal wieder zeigt der Windmesser mehr als 30 Knoten an. Doch das sind nur kurze Regenböen. Dann pendelt es sich wieder zwischen 20 und 27 Knoten Wind ein.

Ich werde früh morgens wach. Ole hat Wache. Nach einer Weile habe ich das Gefühl, es stimmt etwas nicht. Obwohl ich eigentlich noch etwas schlafen könnte, treibt es mich an Deck, um nachzuschauen, was da los ist.
Wir haben 19 Knoten Wind, die Amiga macht gerade mal 3 Knoten Fahrt. Ole schaut mich an und bestätigt mir, dass er dieses Spiel schon eine Weile beobachtet. Er vermutet eine Gegenströmung. Doch so stark? Hier mitten im Pazifik?
Ich schaue auf die Karte und den Plotter, dann aufs IPad, mit dem ich meistens navigiere. Wir sind in der Nähe eines ziemlich großen Unterwasserberges mit einem Durchmesser von über 20 Meilen der bis weniger als 100 Meter unter die Wasseroberfläche kommt. Mein Gefühl sagt mir, dass das die Ursache für diese merkwürdige Situation sein muss und ändere kurzentschlossen den Kurs Richtung Osten, weg von dem Berg, so östlich, wie die Windrichtung es zulässt. Über eine Stunde später ist der Spuk vorbei und wir machen wieder normale Fahrt.
Immer mal wieder habe ich auf dem IPad unseren Track mitlaufen lassen, um sehen, wieviel Strecke wir in einer gewissen Zeit gemacht haben, ohne dass ich es am Plotter ablesen muss.
Als ich mir am nächsten Tag den Track noch einmal anschaue, bin ich ziemlich überrascht. In Höhe des Unterwasserberges ist die sonst durchgezogene Tracklinie nur gestrichelt!!!! Welche Kräfte waren denn da am Werk?!

Es liegen noch mehrere Unterwasserberge vor uns. Der Tongagraben, an dem wir uns entlang bewegen ist bis zu 10.000 Meter tief. Ich stelle den Kurs soweit ab, dass wir jetzt immer in gutem Abstand an diesen Berge vorbei kommen, deren Spitzen teilweise nur 30 m unter der Wasseroberfläche liegen. Auch beobachte ich, dass gerade in der Nähe der Berge öfter Regenböen festhängen. Sobald wir die Berge passiert haben, ist das Wetter wieder schön.

Die letzten 12 Stunden fliegen wir mit über 7 Knoten Geschwindigkeit nur so dahin. Ich entscheide nicht den nächsten Tag abzuwarten und draußen vor Tonga zu kreuzen, um bei Tageslicht die lange etwas trickreiche Einfahrt entlang der zwischen der Hauptinsel und Riffen zu nehmen.

Land in Sicht – wellcome to Tonga

Stattdessen nehmen wir jetzt direkten Kurs auf Tongatapu, was noch einmal 10 nm spart, und direkt auf die östliche Zufahrt nach Nuka’alofa, Hauptstadt von Tonga. Es ist schon dunkel, als wir die Einfahrt erreichen und es weht immer noch der kräftige Wind, der uns schnell vorantreibt. In der Dunkelheit und der bewegten See das Grosssegel bergen? Damit warten wir, bis wir ein Stück weit in den Kanal eingelaufen sind und das Meer dort ruhiger ist.
Da ich hier schon einmal vor zwei Jahren war, weiß ich, dass die Karte stimmt und verlässlich ist. Trotzdem bin ich angespannt. Wer weiß schon ob der letzte Cyclon nicht neue Hindernisse hinterlassen hat, die nicht in der Karte eingezeichnet sind?
Doch letztendlich erreichen wir problemlos den Ankerplatz gegenüber der Hauptstadt vor dem Pangaimoto mit dem Big Mama Yacht Ressort.

WILLKOMMEN IN TONGA!!!!

Hinter uns liegen 1.340 nm. Wir waren hierfür 9 Tage und 10 Stunden unterwegs.
Es fühlt sich noch etwas unwirklich an. Das Ankerbier ist jetzt wirklich mehr als verdient.
Uns erwartet nun eine ruhige Nacht, in der wir alle wunderbar schlafen werden, bevor es morgen in den Hafen von Nukualofa geht zum einklarieren.

Für mich war es eine gute Erfahrung, mit mir im Prinzip unbekannter Crew zu segeln und ich danke den beiden, für ihren tollen Einsatz auf dieser Reise.

 

Danke, Ole, für das tolle Video und die Fotos. Ich hoffe es gibt in dieser Saison noch ganz viele davon.

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