Chile – O’Brien, Londonderry, Brecknock vom 1.3.-6.3.2015

Wenn man die Namen liest, könnte man denken, wir sind in Europa. Irland vielleicht. Aber wir sind nach wie vor in Südamerika. Feuerland um etwas genauer zu sein. Heute hat Vincent Geburtstag. Also ein ganz besonderer Sonntag. Und das taucht heute natürlich immer wieder in unseren Gesprächen auf. Früh am Morgen verlassen wir den Seno Pia mit

seinen Gletschern und dem Treibeis in Richtung Kanal O’Brien, vorbei an der Insel O’Brien. Unser Tagesziel legen wir während der Fahrt fest. Das Wetter ist gut. Die Sonne hätten wir uns auch für unseren Gletschertag gewünscht. Aber man kann ja nicht immer alles haben. Unterwegs begegnet uns, selten genug, ein anderes Segelboot und zum zweiten Mal die Maximiliano, ein brasilianisches Marineschiff. Der Wind erlaubt es auch endlich wieder einmal zu segeln. Entsprechend unserem guten Vorankommen und der Vorstellung, möglichst gegen 15.00 h immer irgendwo vor Anker zu gehen, entscheiden wir uns für die Caleta Silva im Puerto Engano. Caleta Silva? Nein, wir sind nicht zurückgefahren. Den Namen gibt es mehrfach. Und hier sollen auch Fischer vor Anker gehen. Vielleicht gibt es ja heute Abend als Geburtstagsessen Fisch? Der Puerto Engano ist schlecht aus zu machen. Wir sind etwas unsicher, weil ja auch GPS und Karte im Moment abweichen. Um fast 1 Seemeile, was bei der Bestimmung der Einfahrt in eine Caleta schon zu Schwierigkeiten führen kann. Von Norden kommt eine graue Wetterwand auf uns zu, die definitiv nach Regen aussieht und es wäre schön, den Ankerplatz vorher zu erreichen. Kurz vor der Küste stellen wir dann fest, dass wir doch zu weit südlich sind und was von weitem wie die Ankerbucht aussah, ein eher steiniges Gebiet ist. Also noch einmal einen Schlag zurück in den Kanal Ballenero segeln, um dann höher nach Norden zu kommen. Der Wind wird stärker und es brist auf. Wir laufen unter voller Besegelung mit Genua. Das ist für den jetzt aufkommenden Wind einfach zu viel. Bei der nächsten Wende wird gerefft. Und das ist der Moment, wo es uns „kalt erwischt“. Der Regen wird von einer Sturmbö getrieben. Schlagartig zeigt der Windmesser über 40 Knoten und in der Spitze fast 50 Knoten. Das Reffen der Genua wird zum Kraftakt, auch weil die Winsch immer wieder überspringt. PACIFICO legt sich heftig auf die Seite und die nächste Welle geht sogar über die Heckreling. Jetzt weiß Hilde, was es in etwa bedeutet, wenn Hermann „kotz“ sagt. Es ist etwas gar nicht in Ordnung. Der Versuch die Genua dann über die elektrische Winsch einzureffen, endet damit, dass die Roll-Schot plötzlich nachgibt und scheinbar gerissen ist. Gott sei Dank als die Genua fast eingerollt ist. Nur ein kleiner Teil in halber Höhe schlackert noch heftig in den Böen. Wir steuern PACIFICO in den Wind um auch das Großsegel einzureffen, was bei dem Sturm und Regen auch nicht gerade ein Spaß ist. Sorgenvoll blicken wir nach vorne zur Genua. Was machen wir, wenn der Wind sie wieder ausrollt???!!!. Hermann macht sich bereit nach vorne zu gehen, um das Roll fest zu binden. Der Bug taucht immer wieder in die Wellen und Wasser kommt über. Eine Viertelstunde später ist das Roll der Genua festgesetzt und wir können Kurs auf Land nehmen. Der ganze Spuk hat nicht mal eine Stunde gedauert. Trotzdem sind wir froh als wir dann endlich in der Bucht neben einem Fischerboot aus Punta Arena vor Anker liegen. Die Roll-Schot ist nicht gerissen, sondern aus der Klemme gerutscht, weil die Rollvorrichtung durch eine Schraube blockiert war. Glücke im Unglück, dass dadurch auch die Genua nicht wieder ausrauschen konnte. Noch vor dem Essen ist der Schaden fachkundig behoben, die Genua, bei der sich eine Naht geöffnet hat, liegt verpackt auf dem Deck und die Fock ist angeschlagen. Wir sind also wieder startklar. Gott sei Dank ist letztendlich doch alles gutgegangen. Die Fischer sind keine Fischer, wie wir erfahren, sondern tauchen nach rotem Tang, der für die Kunststoffherstellung verwendet wird. Sie schenken uns aus ihrem Beifang zwei große Krabben (ca. 40 cm Durchmesser) – mit der Erläuterung, wie sie zu zubereiten sind, und dem Hinweis, dass wir sie nur kalt essen dürfen. Wir erwidern das Geschenk mit einer Flasche Wein aus unserem Bestand. Guter Tausch, denn die Krabben sind wirklich eine Delikatesse. Das Wetter hat sich auch am nächsten Tag noch nicht völlig beruhigt. Regen und weiße Schaumkronen draußen auf dem Kanal Ballenero vor unser geschützten Caleta. Also geht es erst am Dienstag sehr früh weiter Richtung der Isla Brecknock. Wir nutzen jede Gelegenheit zum Segeln, aber häufig kommt der Wind aus genau der Richtung, die es uns unmöglich macht. Zumal der Wind sich auch selten für nur eine Richtung, und das mit Beständigkeit, entscheidet, sich in der Stärke ungern an die Wetter-Gripse hält und durch die vielen Inseln sowieso macht, was er möchte. Das Ganze endet dann häufig in Segel raus, Segel rein, Reff raus, Reff rein, den Versuch durch kreuzen schneller oder gleich schnell zu sein, als würden wir mit dem Motor gegen die Strömung anfahren. Entspanntes segeln ist also etwas Anderes. Und so ist es dann auch mit der Zeitplanung. Wir brauchen ein Ziel, dass wir bis zum Nachmittag erreichen können. Ein möglichst vor allen Winden geschützter Platz, wo der Anker gut halten wird und es am besten auch Bäume zum Festmachen gibt. Denn die Wettervorhersagen sind im Moment alles andere als ermutigend. Unser Kompetenzzentrum in Hamburg hat für Donnerstag Wind mit Stärken von 7 – 9 Beaufort mitgeteilt. – Danke, für die rechtzeitige Warnung! – Da sollten wir also spätestens in einer sehr geschützten Caleta sein. Deshalb machen wir uns am Dienstagmorgen trotz Regen und schlechter Sicht wieder auf den Weg. Die Sichtweite liegt häufig unter 10 Meilen und die Inseln tauchen sehr spät im Dunst auf. Wir navigieren zusätzlich über Radar und gleichen damit unsere Karte auf dem Plotter ab und können so den GPS-Versatz gut mit einplanen. Unser Tagesziel ist es, den Kanal Brecknock zu erreichen. Hier kommt man schon ganz nah an den Pazifik. Das Bild vor uns ändert sich, Die Inselwelt ist geprägt von schroffen, kargen und unwirtlich wirkenden Felsen, die hier den Naturgewalten des Windes und des Meeres die Stirn bieten. Man sieht nur wenige Pflanzen, die in geschützten schmalen Felsspalten wachsen. Hier hat man wirklich das Gefühl am Ende der Welt zu sein. Wir ankern am Dienstagabend in einer Bucht zwischen Festland (also Insel Brecknock) und einer kleinen Insel. In unserem Patagonien-Führer wird dieser Ankerlatz als „bombensicher“ bezeichnet. Aber wir fühlen uns im Puerto Paso Aguirre gar nicht sicher und wissen, dass wir hier auf keinen Fall das für Donnerstag angesagte Wetter abwarten wollen. Wir sind verpflichtet täglich zweimal, morgens und abends, unsere Position an die chilenische Armada (Marine, Präfektur) zu melden. Als wir heute Abend unsere Mails senden und erhalten, ist auch ein Mail der Armada dabei. Eine Wetterwarnung für Donnerstag! Wir empfinden diesen Service als sehr positiv und aus unseren Erfahrungen in anderen Ländern durchaus nicht als selbstverständlich. Auch die Fischer machen es uns Seglern leichter. An vielen Ankerplätzen sind Taue gespannt und Schlingen gelegt, an denen auch die Segler festmachen können, wenn man zusätzlich zum Anker weiteren Halt und Sicherung des Bootes benötigt. Am mittwochmittags erreichen wir die wunderschöne und sehr geschützte Caleta Brecknock am Kanal Occasion. Besser hätten wir nicht wählen können. Die kleine geschützte Bucht in dem Fjord ist dicht von Pflanzen bewachsen und der Wasserfall am Anfang der Bucht sieht aus, als würde er durch einen Urwald herabstürzen. Die knorrigen Bäume sind dick mit Moos bewachsen. Es wachsen hier wilde Azaleen und Rhododendron. Blickt man auf die andere Seite des Fjordes, so sieht man blanke Granitfelsen. Ein guter Platz, an dem wir uns neben dem Anker mit fünf Landleinen „einspinnen“ und dem schlechten Wetter gelassen entgegensehen.

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