Musket Cove. Die Bleibe von PACIFCIO für die nächsten vier Wochen und damit auch während der Zeit, die Hermann in Deutschland mit seinen Kindern verbringen wird.
Bevor Hermann abreist gibt es noch so einiges an Instruktionen, damit ich alleine klarkomme. Das wichtigste ist natürlich der Generator. Ohne den gibt es nicht genügend Strom, wenn Wind und Sonne nicht das ihre dazu beitragen. Und wenn die Batterien
einmal ganz leer gebraucht sein sollten, habe ich wohl ein richtiges Problem. Und Hermann auch
Also lerne ich erst mal, wie man den Generator startet, wie und wo ich ihn hinstellen kann, ohne das mir das Teil ins Wasser stürzt. Hermann stellt ihn nämlich immer am Heck unten auf die Badeplattform. Das ist dann entsprechend mit Kletterei über die Windsteuerungsanlage verbunden. Weil der Generator ja auch ein paar Kilo wiegt, könnte er mir dabei aus der Hand und ins Wasser rutschen. Also bleibt er oben an Deck und ich muss dafür den Lärm, den er macht, in Kauf nehmen, aber eben nicht klettern.
Wenn der Generator zickt, was er ja so manchmal tut, soll ich Öl nachfüllen. Na denn, wird schon funktionieren.
Wofür der Naturstrom von Wind und Sonne bestimmt nicht reicht, ist Wasser machen. Der Wassermacher schluckt ordentlich Strom. Wie ich den Wassermacher an und ausmache, um den Tank mit bestem Trinkwasser zu füllen, habe ich die letzten Wochen noch einmal verinnerlicht. Also kein Problem.
Wir haben die landnahe Mooring Nummer 1 ergattert. Das heißt für mich einen relativ kurzen Weg zum Dingi-Kai. Ich plane, den meistens mit dem Kanu zu machen. PACIFICA zu rudern muss ich dann wohl auch noch lernen. Bei meinem bisher einzigen Versuch in Nuku‘alofa endete das ganze zur Belustigung aller als „Hafenkino“. Urs, von der MOANA, kam mir mitleidsvoll mit seinem Dingi zur Hilfe, weil er das nicht länger mit ansehen konnte. Hilfe, die selbstredend hoheitsvoll abgelehnt habe.
Für den Ernstfall lerne ich nun auch noch mit dem Außenborder umzugehen, PACIFICA mittels einem Fall allein an Bord zu winschen und was Hermann ansonsten für dringend erforderlich hält.
Dann macht er sich auch noch Sorgen, was ich hier so während seiner Abwesenheit an Bord treiben könnte: „schmeiß nicht alles weg, wenn du aufräumst!“ und dann noch „am besten lässt du alles, was du wegschmeißen möchtest, in einer Tüte liegen, damit wir es uns zusammen ansehen können, wenn ich wieder da bin!“
Lieber Hermann, ich werde doch nichts wegwerfen, was du anschließend vermissen wirst.
Ich beschließe, das ich auch noch lernen muss, wie Hermann unser Brot backt und die PACIFICO-Pizza zubereitet. Allerdings hoffe ich, dass es nicht hinterher immer zu meinen Aufgaben gehört, auch wenn ich dann nicht mehr sagen kann „kann ich nicht!“
Viel zu schnell ist es auch schon Mittwochnachmittag und ich bringe Hermann zur Malolo Island Fähre, die ihn nach Port Denauro bringen wird. Von dort aus geht es für ihn die kurze Strecke zum Flughafen Nadi und mit dem Flieger über Amerika nach Hamburg, wo er von Familie und Freunden bereits erwartet wird.
Jetzt bin ich zum ersten Mal allein an Bord. Und dann auch noch gleich für drei Wochen. Mich tröstet, dass wir den Platz gut gewählt haben. Eine nette kleine Südseeinsel. Es gibt definitiv schlechtere Orte. Auch wenn es jetzt regnet und das auch noch bis Samstag anhält.
Es dauert ein paar Tage bis ich so meinen eigenen Rhythmus finde. Morgens aufstehen, als erstes nach dem Strom sehen, die nächtliche Positionslampe ausschalten, Tee kochen, das Erwachen des Tages erleben, wenn morgens die Resort- und Marina-Mitarbeiter/innen mit dem Boot ankommen, die erste Fähre abfährt und weitere Gäste im Nachbarresort abholt. Die ersten Segler, die mit ihrem Dingi an Land fahren. Meinen Tag planen indem ich in mich hineinhorche, worauf ich denn heute Lust habe.
Alle zwei Tage lasse ich morgens Yan, den Motor, laufen, der ja auch Strom produziert. Er muss immer dann ran, wenn ich nicht nur Strom, sondern auch heißes Dusch- und Abwaschwasser möchte, was maximal zwei Tage vorhält.
Yan ist davon weniger begeistert, wie es scheint, denn schon gleich am ersten Morgen fängt er an zu piepen. Also nicht er, sondern die Kontrollleuchte der Motortemperatur. Also schalte ich ihn erst mal aus und verschiebe das Problem. Zwei Tage später springt Yan anstandslos an und ich bin erst einmal ganz erleichtert. Das hält allerdings nicht lange vor, dann ist ihm schon wieder zu heiß. Ich schalte ihn aus und beschließe, dieser Sache nicht länger aus dem Weg zu gehen und mich damit zu befassen. Das bedeutet, dass ich erst einmal die Betriebsanleitung heraushole, nachlese, dass es bei der Lampe, die da vermeintlich piept, sich wirklich um die Motor-Temperatur handelt. Womit ich auch schon am Ende meiner selbstständigen Lösung des Problems bin.
‚Hermann!!! Was soll ich jetzt tun?‘
Hermann kann natürlich auch keine Ferndiagnose starten und mir sagen, was zu tun ist. Gott sei Dank, ist die MEERBAER inzwischen eingetroffen. Rainer erklärt sich bereit, sich einmal in unseren engen Motorenraum zu zwängen und nach dem möglichen Fehler zu schauen. Keine Kühlflüssigkeit im Kontrollbehälter ist die Diagnose. Kühlflüssigkeit ist vorhanden und Rainer füllt auch gleich den Behälter entsprechend auf, erklärt mir, wo ich das zukünftig kontrollieren kann. Alles gut, Yan bekommt keine Hitzeattacken mehr.
Es muffelt wieder in der Bilge. Hier war uns ja fast eine ganze Flasche Flüssigwaschmittel ausgelaufen. Im ersten Moment riecht das wirklich gut, frisch und sauber. Nach einiger Zeit verwandelt sich der Geruch in modrig und erinnert an den Geruch verfaulter Eier. Also hatten wir schon mehrfach die Bilge gespült. Zuletzt war Hermann auf die Idee gekommen, vorne die Logge auszubauen und so kontrolliert Meerwasser durch die Bilge laufen zu lassen. Danach war der Geruch erst einmal weg.
‚Ob ich das auch kann???? Er hat dafür irgendetwas unter dem Bodenbrett vor dem vorderen Bad gemacht.‘
Also schau ich da mal.
‚Wenn ich das schwarze Teil da jetzt herausdrehe, gehe ich dann mit PACIFICO unter???‘ Ich beschließe, das dann doch lieber zu lassen und den Geruch zu ertragen, bis Hermann wieder das ist. Doch entdecke ich bei dieser Aktion den Duschfilter für das vordere Bad.
‚Der sollte doch gereinigt werden, oder? Hat er wohl vergessen. Also das bekomme ich hin. Einfach abdrehen, abspülen und wieder draufschrauben. Perfekt. Das kann ich für das hintere Bad sicherlich auch tun.‘
Doch dort finde ich im Motorraum kein Teil, das genauso aussieht. Nur etwas in der Art, in einer anderen Farbe und größer. Nein, lieber nicht. Lieber warten bis Hermann mir das zeigt.
Ich will ja nichts kaputt machen und keinen Ärger. Zumindest nicht, solange sich das vermeiden lässt.
Leider passieren dann einfach Dinge und es geht doch etwas kaputt. Da gibt es Käfer, die sehen aus wie kleine Kakerlaken und sie sind auch mindestens ebenso schnell. Vier Stück. Einen erledige ich sofort, die anderen verkriechen sich hinter dem Herd. Ich ziehe die Herdabdeckplatte heraus um den Zwischenraum dahinter zu untersuchen.
‚Ich werde euch schon kriegen!‘
Aber die Hitchhiker sind, wohin auch immer, verschwunden.
‚Ok. Ich werde dieses Problem heute Nacht nicht lösen. Morgen ist auch noch ein Tag.‘ Als ich die Abdeckplatte wieder an ihren Platz schieben will, bricht eine Ecke der Holzleiste ab. Uuuupppppsss!!!! Sorry.
Die Hitchhiker müssen gleich am nächsten Morgen ihre Räumungsklage entgegennehmen, nachdem ich, auf der Suche nach ihnen, den gesamten Küchenschrank ausgeräumt habe.
Dass mit der abgebrochenen Ecke ist ein anderes Thema. Das muss auch sofort wieder in Ordnung gebracht werden. Also leime ich die Ecke erst einmal wieder an. Nachdem das einen Tag durchgetrocknet ist und hält, schleife ich die gesamte Leiste ab und lackiere sie neu. Das Ergebnis ist zwar nicht wie neu, aber akzeptabel.
‚Das habe ich doch gut gemacht.‘
Naja, dass ich das kaputt gemacht habe, war natürlich nicht so gut.
Da ich schon mal am Schleifen und lackieren bin, gibt es auch so einige andere Sachen, die der Pflege bedürfen: die Sitzbretter von PACIFICA, die Schrankoberseite im Schlafzimmer, bevor sie ganz aufweicht, das Brett, auf dem der Außenborder klemmt, und so einiges mehr. Ich habe ja sonst nichts tun.
Irgendwie vergehen die Tage sehr schnell. Da gibt es Spaziergänge auf der Insel, ein Besuch im Village auf der Nachbarinsel mit Kava-trinken und Verkaufsständen mit allerlei Handarbeiten, die meisten ‚Made in China‘, will mir scheinen. Wenn ich schon Urlaub habe, ist auch ein Besuch im SPA des Resorts dabei. Ein Grillabend an der Bar mit den MEERBAERS. Und überhaupt freue ich mich jedes Mal, wenn ich von der MEERBAER Besuch bekomme, fühle ich mich doch dadurch nicht so allein.
Das Brot ist alle. Das heißt entweder kein Schwarzbrot, Brot aus dem Shop oder selbst Brot backen. Ich entscheide mich, ein Schwarzbrot nach unserem Rezept zu backen. Da ich vorher alles genau aufgeschrieben habe, was bisher nur in Hermanns Kopf vorhanden ist, bin ich überrascht, wie einfach es eigentlich ist. Zumal das Mehl aus den verschiedenen Getreidearten mit der neuen elektrischen Mühle ohne Kraftaufwand gemahlen wird. Das Brot gelingt, ist schmackhaft und wird schwesterlich mit Anne Meerbaer geteilt. Und auch sie befindet das Ergebnis für gut und lecker. Geht doch.
Der Liegeplatz ist schon toll. Wenn ich mag, kann ich direkt vom Boot ins Wasser springen und baden. In einer Marina würde ich das ganz sicher nicht machen. Und das meiste kann ich wirklich mit dem Kanu erledigen, sogar ein Besuch bei Rainer und Anne, die mit der MEERBAER mindestens eine halbe Meile weiter draußen vor Anker liegen. Gefühlt schon fast die halbe Strecke bis Cloud 9, was etwas mehr als 4 Meilen sind.
Eine Schildkröte dreht fast täglich ihre Runde ums Boot und als Anne sich vor der MEERBAER-Abreise verabschieden kommt, schwimmt sogar eine kleine schwarz-weiß geringelte Schlange am Rumpf entlang.
In dem tollen Badewasser bringt es auch Spaß, die Wasserlinie zu reinigen und von Algen zu befreien. Etwas fassungslos betrachte ich unsere Badeleiter. Sie ist aus Edelstahl, aber inzwischen ist sie völlig grün vom Algenbewuchs. So lange sind wir doch nun wirklich noch nicht hier!!!
Die Nachrichten aus Deutschland hören sich gut an. Das Wetter macht mit, so dass der Campingurlaub mit den Kindern nicht zum Fiasko wird. Die Tasche, die in Amerika hängen geblieben war, hat nach vier Tagen auch ihren Weg nach Deutschland gefunden, so das Hermann den inzwischen gekauften neuen Schlafsack dann doch nicht benötigt und zurückgeben kann. Die Mails lassen die gute Stimmung erkennen, dass die drei Spaß haben und ihre Zeit miteinander genießen. So soll es doch sein.
Wie nicht anders zu erwarten, zickt auch irgendwann der Generator. Nun, er möchte jetzt wohl etwas Öl und hat hoffentlich kein anderes Problem, wie beispielsweise verschmutztes Benzin, einen verstopften Vergaser oder sonst etwas. Mein Kopfkino läuft zu Höchsttouren auf.
Also Öl, nicht Benzin, denn das hat er noch reichlich, wie ich als erstes feststelle. Und natürlich weht es gerade heute mit 20 Knoten. Also alles festhalten. Schließlich haben wir schon einmal die Erfahrung gemacht, dass die Gehäuseplatte des Generators, die man für die Ölbetankung abnehmen muss, sich schnell mal selbstständig macht. Allerdings ist hier das Wasser nicht so klar, dass wir sie dann auch auf dem Meeresboden leicht wiederfinden können. Ich lege den Generator also, wie Hermann es mir gezeigt hat, auf die Seite, öffne den Ölstutzen und prüfe mit dem Stäbchen den Ölstand.
‚Wieso wird es jetzt unter dem Generator plötzlich so feucht??? – Mist!!! Ich habe den Tankdeckel nicht wieder richtig zugeschraubt!‘
Es dauert ein Weilchen, bis Öl nachgefüllt ist, nichts weggeflogen ist, das Deck wieder sauber ist und auch der Generator wieder läuft.
Beim nächsten Mal passiert mir das so nicht mehr und Übung macht den Meister.
Alles in allem: wenn Hermann zurückkommt, wird PACIFICO noch schwimmen, keine größeren Schäden verzeichnen und ich leider bei vielen Dingen nicht mehr sagen können „Das kann ich nicht!“