Neuseeland – 9 1/2 Tage unterwegs nach Tonga – Teil I – vom 03.04. bis 01.05.2018

Bis zum 6.5.2018 muss ich Neuseeland verlassen haben, weil dann mein Visum ausläuft.
Mittlerweile wird mein Arbeitsdruck immer größer. Irgendwie will die Liste, was ich vorher noch erledigen möchte, nicht kürzer. Es kommen immer wieder Dinge, Arbeiten, dazu oder brauchen viel länger als erhofft.

Elektroarbeiten am Hauptbatterie-Panel

Seit Monaten hatten ich für den Dienstag nach Ostern schon einen Termin in Dockland 5 bei Charlie für den HaulOut der Amiga vereinbart. Die Amiga braucht unbedingte ein anderes Antifouling. Der in Fiji aufgebrachte Unterwasseranstrich, eigentlich Antifouling, hat den Bewuchs am Schiff wohl eher gefördert, als den Rumpf davor zu schützen.

Als die Amiga dann im Travellift hängt, wundert mich eigentlich überhaupt nicht mehr, warum das Boot so langsam geworden war. Eine geschätzte Tonne Muscheln, Austern und sonstige dekorative Meeresbewohner haben sich am Rumpf festgesetzt. Und dass seit erreichen Neuseelands am 5.11.2017, wo der Rumpf noch absolut sauber war. Im Stillen frage ich mich, wie da irgendjemand das Meer für tot halten kann und denkt, da wächst nichts. Kaum ein halbes Jahr und dann so ein Riff????
Der fassungslose Mitarbeiter, der mit dem Hochdruckreiniger anfängt die Bewuchs abzuwaschen, kommt nach einigen Minuten zu mir und fragt, welche Arbeiten ich für die Zeit auf dem Hardstand geplant habe und ob das Antifouling erhalten bleiben muss. Muss es nicht. Und dann gibt er richtig Druck auf das Reinigungsgerät, Muscheln und Austern fallen herunter, der Rumpf wird wieder sichtbar.
Ich organisiere derweil schon mal, was ich an Material die nächsten Tage benötige. Als ich zurückkomme, steht Charlie nachdenklich vor der Amiga, die immer noch im Travellift hängt. Stahlboot! Ich bekomme einen Einzelplatz an der Straße, fernab der anderen Boote. Das hatte Martin (SV Tystie und Kiwi) mir schon prophezeit. Mit einem Stahlboot will niemand etwas zu tun haben. Weil, wenn ich Rost abschleife, der Wind den Staub auf die frisch gestrichenen Boote trägt. Die kleinen Partikel setzen sich dort fest und innerhalb kurzer Zeit sieht dann so ein Plastikboot aus, als wäre es ein rostiger alter Kahn. Das ist nun wirklich kein Spaß und ich bin froh eine eigene Ecke zu bekommen und keine Rücksicht nehmen zu müssen.
Und dann gibt es noch eine herbe Überraschung. Nachdem nun der Rumpf fast sauber aussieht und auch der Propeller wieder frei ist, schaue ich fassungslos auf die Schraube die den Propeller hält. Blitzblank ist das Gewinde zu sehen. Doch wo ist die dicke Messingmutter mit der aufgeschraubten Opferanode, die den Propeller hält???!!! Nichts mehr da!!! Upppsss . Da haben nur die Muscheln noch den Propeller gehalten. Und dem Bewuchs nach zu urteilen, dass schon länger. Da kann ich wirklich von Glück reden, dass der Propeller noch dran war.

Acht Tage später ist die Amiga wieder immer Wasser. Roststellen wurden zweimal mit Umwandler behandelt, dreimal Rostprimer drauf, dann das ganze Unterwasserschiff noch einmal Primer und schließlich zwei mal Antifouling. Einige Anoden wurden ausgewechselt. Der Propeller wurde diesmal mit Prospeed gegen Bewuchs behandelt (bin mal gespannt, ob das wirklich mehrere Jahre hält). Das Thema „Stopfbuchse wieder abdichten“ war fast zu meinem Alptraum geworden. Als ich schon so weit war, dass ich dachte „ich kann das nicht alleine hinbekommen und dann reinige ich das jetzt eben nur und suche mir morgen Hilfe“, kam die Lösung. Durch das Saubermachen habe ich die gesuchten Bauwollbänder gefunden, die ich ganz woanders vermutet hatte. Danach konnte ich diese erneuern und mit Spezialfett einsetzen. Der Rest hat zwar auch gedauert und viel Kraft gekostet, doch ich wusste, ich war jetzt auf dem richtigen Weg. Wieder etwas dazu gelernt.
Und die neuen Fenster hatte die Amiga auch noch auf dem Hardstand

Rostige Fensterrahmen. Hier muss geschweißt werden, bevor ein neues Fenßter eingebaut werden kann.

erhalten. Seit Wochen schon hatte ich mit Abdeckplanen gegen Regen und Kälte herumgewirtschaftet, weil auch hier in Neuseeland braucht einiges manchmal etwas länger.

Kaum wieder im Wasser, treibt es mich erst einmal raus. Endlich mal wieder fahren, irgendwo vor Anker gehen und nicht in der Marina liegen, auf Fenster warten und nicht weg können. Und wie schon erwähnt, es kommt immer wieder was dazu. Warum funktioniert denn jetzt, bitte schön, der Autopilot nicht mehr???!!! Ich habe daran doch gar nichts gemacht. Bin mit meinen Arbeiten doch noch nicht einmal in der Nähe davon gewesen. Oder doch? Ok. Morgen ist auch noch ein Tag. Jetzt erst mal rausfahren und dann eben selbst steuern. Je weiter ich an diesem Mittwoch Nachmittag den Fluss herunter Richtung Marsden Cove komme, je stärker wird der Wind. Sanfte Brise ist etwas anderes. Ich überlege umzukehren und an einen geschützten Flussankerplatz zu gehen.
Doch irgendwie?… Nein. Ich wollte raus. Am liebsten zur Urqhuartsbay. Doch die McLeods davor geht auch. Ich muss endlich mal wieder frei ankern und nur „Amiga und ich“ genießen. Und dass ich dann bei 30 Knoten Wind vor Anker gehen muss, dass ist dann eben so und fällt unter „üben“.
Am Freitag muss ich dann ohnehin zurück, weil ich angeboten habe, die Pacifico von ihrem Abstellplatz in Kissing Point zurück ins Town Basin zu bringen.
Hermann kommt heute, Freitag, nach zweieinhalb Monaten aus Deutschland zurück. Da unklar ist, welchen Bus er aus Auckland bekommt, finde ich es besser (und er natürlich auch), wenn die Pacifico nicht noch nach seiner Ankunft geholt werden muss und er aufgrund der Uhrzeit gar nicht mehr die Klappbrücke passieren kann, um ins Town Basin zu kommen.

Ich wundere mich immer wieder, wie leicht die Pacifico jetzt auf mich wirkt. Um vieles leichterer im Gegensatz zu der um ein Drittel schwereren und einen Meter längeren Amiga.Trotzdem wird die kurze Überführung der Pacifico eine Herausforderung. Ich hatte Martin gebeten zu helfen. Trotzdem wären noch zwei weitere Hände, wegen des kräftigen Windes an diesem Tag, besser gewesen.
Weil Martin noch nicht da ist, als ich an Bord der Pacifico komme, fange ich schon mal an, alles allein vorzubereiten. Hermann hatte mir geschrieben, was ich alles zu tun ist, bevor ich die Pacifico starten kann.
Dann läuft der Motor und ich sehe das Kühlwasser hinten aus dem Auspuff spritzen. Mittlerweile ist Martin auch da. Er ist nicht wirklich begeistert vom Wind und wie wir die Pacifico wohl nun hier heraus bekommen sollen, ist ihm auch schleierhaft. Wir werden es schon machen. Es dauert etwas, bis ich vom Dingi aus die doppelten Halteleinen zwischen den vier Piles alle gelöst habe und wir neue Leinen auf Slip gelegt haben, damit wir nicht vom Wind gegen das Nachbarboot gedrückt werden. Das Bugstrahlruder hat bei dieser Windstärke überhaupt keine Wirkung und Martin sieht mich immer wieder zweifelnd an.
Doch Boottransfer ist zugesagt und Boottransfer wird gemacht. Wäre doch gelacht, wenn wir dass nicht hinbekommen.
Als der Wind eine kurze Atempause macht, gebe ich Martin Zeichen zum „Leinen los“ und schon geht es rückwärts aus der Parklücke und ab auf dem Fluss Richtung der zu passierenden Klappbrücke.
Keine 500 Meter weiter gibt es einen Alarm. Motortemperatur zu hoch. Also Motor aus und im Fluss Ankern und Problem finden und lösen. Mittlerweile frage ich mich, ob ich Hermann da wirklich so ein gutes Angebot gemacht habe oder ob ich nicht lieber meinen Mund gehalten hätte. Dann will der Anker nicht fallen, weil sich die Winsch-Nuss festgesetzt hat. Es dauert einen Augenblick, bis mir die Fernbedienung einfällt, mit der ich die Winsch betreiben kann. Um es kurz zu machen, eine Dreiviertel Stunde später, eine Stunde vor Hermanns Ankunft, liegt die Pacifico im Town Basin auf dem vorher reservierten Platz, als wäre nichts gewesen und Hermann gerade Mal zum Einkaufen unterwegs und gleich wieder da.

Auf meiner to-do-Liste stehen noch die Kabinenverlängerung von 185 cm auf 210 cm. Dadurch fällt die Bug-Kabine als Schlafplatz weg und wird Lagerraum.

Kabinenumbau im Bug

Doch das ist eigentlich nicht schlimm, da hier die Kojenlänge sogar nur 175 cm war. Ob Franzosen nicht größer werden? Na egal. Die Amiga ist ohnehin kein Designer-Boot und eben ganz individuell. Mein Mitsegler in dieser Saison ist ganze 1,97 m lang und muss sich im Schlaf wenigstens strecken können. Stehhöhe hat er ohnehin nicht in der Amiga.
Das Thema Strom hatte ich eigentlich Anfang Mörz schon abgeschlossen. Dachte ich. Damals bin ich mit einem Elektriker alles durchgegangen, habe ein paar zusätzliche Sachen einbauen lassen, damit die Batterien kontrollierter und besser laden, Steckdosen verlegt und eine andere Batteriekontroll-Anzeige habe ich auch eingebaut. Doch irgendwie ist es noch nicht das ‚gelbe vom Ei‘. Irgendwie verstehe ich immer noch nicht, wo was läuft und warum es manchmal hakt und was das dann sein könnte. Claus (SV Julia) misst mit mir noch einmal die wesentlichen Leitungen durch. Und siehe da, dort wo ich gedacht habe, dass die Batterien direkt von den Solarpanelen geladen werden, ist nur eine tote Leitung. Die Panele liefern den Strom auf eine ganz andere Leitung. Gut, dass das jetzt klar ist. Es soll ja noch ein weiteres Solarpanel angebaut werden, dass schon seit drei Wochen an Deck steht. Ich hoffe hier auf die Unterstützung von Hermann, der auch die beiden anderen Panele bereits in Fiji installiert hatte.

Doch auf der Pacifico ist im Moment schlechte Stimmung. Wahrscheinlich weil ich so mit meinem Themen beschäftigt bin, brauche ich ein paar Tage, um herauszufinden, was los ist. Hermann nicht in optimistischer und lösungsorientierter Stimmung. Habe ich das schon erlebt? Es geht um seine neue Genua, die wirklich „daneben“ ist. Er hätte ebenso gut einen Faltenrock als Vorsegel bestellen können. Hätte vielleicht skurril ausgesehen, doch hätte genausowenig den Erfordernissen entsprochen. Nur preisgünstiger wäre so ein Faltenrock bestimmt gewesen. Es ist nicht einfach, sich mit den hiesigen Handwerkern auseinander zu setzen, wenn etwas nicht zur Zufriedenheit gearbeitet worden ist. In solchen Situationen sind die Kiwis schon etwas speziell.
Aber nicht locker lassen. Und freundlich bleiben. Und jammern. Und weiblichen Charme einsetzen (SeaMac, mein Fensterlieferant meinte zu Hermann „Hilde is very straight!“. So richtig verstehe ich immer noch nicht, was die denn darunter verstehen und damit meinen. Ich war doch wirklich freundlich und geduldig mit denen?). Auf jeden Fall eine ziemlich aufwendige Mischung. Im Endeffekt wird nach weiteren drei Wochen hinhalten Hermann sein Geld zurück bekommen und hat nach einem halben Jahr immer noch kein neues Segel. Nicht erfreulich, aber auch zumindest hoffentlich kein finanzieller Schaden.
Nach der Lösung des Segelproblems komme ich dann auch tatsächlich in den Genuss der hilfreichen Unterstützung bei den Arbeiten auf der Amiga. Solarpanel anbauen.

Naja, und eigentlich haben wir jetzt den 23. April, mein Mitsegler aus Hamburg wird heute eintreffen (Kabine ist fertig geworden) und an Deck steht ein neuer Wassermacher aus Trinidad, der vor der Abreise noch eingebaut und getestet werden will. Auf dem Steg stehen mittlerweile meine alten, eigentlichen neuen, Batterien aus Fiji. Als Hermann in der vergangenen Woche in Auckland war, um dort seine Kamera abzuholen (andere spannende Geschichte), hatte ich ihn kurzentschlossen gebeten, mir neue Bootsbatterien mitzubringen. Ich möchte für die Überfahrt nach Tonga nun doch sicher sein, dass Strom genug da ist, um den Autopiloten durchgängig zu bedienen und für den Kühlschrank. Statt dreimal 150 Ah stehen nun dreimal 270 Ah zur Verfügung, die dann zusammen laut Tabelle 660 Ah liefern. Strom-Mathematik. Immer noch nicht mein Thema. Aber ich habe das Problem erkannt, Problem gebannt. Hoffe ich mal.

Der Beschreibung für den Einbau des Wassermachers ist so detailliert und ausführlich, dass das nun wahrlich nichts für dumme Menschen ist. Bei den meisten Sachen muss ich raten, wo was hingehört, welcher Anschluss was ist. Mit zwei Tagen, die ich eingeplant hatte, wird das nichts. Ich brauche eine ganze Woche, um dieses Wunder zu vollbringen. Und das schaffe ich auch nur, weil ich in etwa vorher schon wusste, wie es laufen sollte. Das Wort „Einbau-Anleitung“ hat für mich völlig neue Dimensionen bekommen. Wer, bitte schön, wagt sich da noch einmal über eine Aufbau-Anleitung von Ikea zu beschweren???

Am Samstag trifft mein zweiter Mitsegler für die Überfahrt nach Tonga ein, der von dort direkt nach Auckland zurück fliegen wird. Ole und Ben werden gleich voll mit eingespannt und sind am Ende des Tages genauso geschafft wie ich. Gefühlte Tausend Arbeiten sind noch zu erledigen. Als Ben samstags eintrifft, ist die Werkstatt noch eine Großbaustelle. Und er schaut mich dann doch überrascht an, als diese Grossbaustelle abends sauber ist und eine sauber bezogene Koje dort für ihn zur Verfügung steht.
Schließlich ist der kommende Mittwoch, 2. Mai, geplanter Abreisetag. Also Ausklarieren und los. Das heißt Dienstag Mittag die Marina verlassen. Das heißt, vorher noch proviantieren, vorkochen, einkochen, Brot backen und vor allem die Amiga seefest machen.

Wenigstens brauche ich abends nicht kochen. Leckeres Essen gibt es für die Amiga – Crew an Bord der Pacifico. Ganz lieben Dank noch einmal Hermann, dass du mich hier zusätzlich entlastet hast. Es gibt am Montag sogar noch einen tollen Abschiedsabend an Bord der Pacifico, zudem auch Martin und Renate eingeladen sind.

Bevor wir Dienstags Mittag auslaufen, tauche ich noch einmal im Motorraum ab. Dieselfilter wechseln und Impeller. Letzteren hatte ich noch gar nicht im Visier gehabt. Und auch die Zuleitungen zum großen Tank, meinem immer noch Sorgenkind, prüfe ich noch einmal. Während meine beiden Mitstreiter weiterhin an Deck die Vorbereitungen übernommen haben, mache ich mich auf um die Marina und die Fenster zu bezahlen.
Die Abreise ist letztendlich die reinste Hetze, weil wir die Klappbrücke passieren müssen, mindestens eine Stunde vor Niedrigwasser. Später würde bedeuten in die Dunkelheit zu kommen, weil die Brücke zwischendurch wegen des Berufsverkehrs nicht öffnet.
Entsprechend überhastet ist der Abschied im Town Basin, ich vergesse die Toilettenschlüssel bei Hermann zum Weiterreichen an das Marinabüro abzugeben, und dann sind wir auch schon unterwegs den Fluss hinunter. Das Niedrigwasser ist schon so weit, dass wir einige Male durch den Schlick rutschen.
Gegen 16.30 Uhr gehen wir in der McLeods Bay vor Anker, um unsere vorerst letzte Nacht in Neuseeland zu verbringen.

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