Fidschi – Sototale – vom 30.9. bis 4.10.2016

Nachdem wir meinen gestrigen Geburtstag am Strand auf ‚Sarahs Insel‘ gefeiert haben, sind wir heute Nachmittag wieder im Dorf eingeladen. Heute gibt es Kava und Dinner. Es sind etwa 20 Erwachsene mit ihren Kindern bei Sarah und Kelly eingeladen, die so nach und nach eintrudeln. Mit der Zeit nimmt es hier niemand so genau.

Der Abend soll für das Schulfest am nächsten Freitag Geld bringen.
Geld heißt in diesem Fall auch das wichtigste Zahlungsmittel sammeln, um hier im Shop einkaufen zu können: Kava-Bowles. Der Wert in Geld hängt von der Größe der Holzschale ab und ist genau festgelegt. So werden diese Holzarbeiten gefertigt und wenn man etwas im Shop kaufen möchte, zahlt man mit den Kava-Bowles. Der Preis wird von den Indern festgelegt, die in ganz Fidschi mit diesen Souvenirs handeln. Wir rechnen uns aus, das die Männer auf Fulaga für ihr Holzkunsthandwerk mit ein bis zwei FJD pro Stunde bezahlt werden, einschließlich des Materials.
Es werden also Kava-Bowles und Bargeld an diesem Abend gesammelt. Insgesamt errechnet Sarah am Ende des Abends einen Wert von 180 FJD, davon wird die Hälfte für Lebensmittel und die andere Hälfte für Kava ausgegeben werden.

Wie klein die Welt hier ist, wird uns an diesem Freitagnachmittag besonders deutlich.
Die Kinder spielen vor dem Haus und setzen sich später zu den Frauen, während die Männer um die große Kava-Bowl herumsitzen. Die Kinder sind nie laut, benehmen sich ausgesprochen wohlerzogen. Ansonsten werden sie sofort zur Ordnung gerufen. Dabei ist es völlig egal, von welchem der anwesenden Dorfbewohner. Alle werden von den Kindern gleichermaßen respektiert. Dass die Kinder streng geführt werden, war uns bereits am Sonntag in der Kirche aufgefallen. Jetzt sitzen einige Kinder neben mir, blättern fasziniert durch die bunten Bilder einer Hochglanz-Zeitschrift. Einige Frauen lesen in Tageszeitungen, die wahrscheinlich schon einige Wochen alt sind. Eine der wenigen Möglichkeiten zu erfahren, was außerhalb der Insel passiert. Internet gibt es nicht, der ältere Fernseher im Wohnzimmer von Kelly und Sarah ist scheinbar nur Dekoration und ist mit einem Tuch abgedeckt. Dann gibt es noch drei Telefone im Dorf, um den Kontakt zur Außenwelt zu halten. Briefe gibt es nur alle vier Wochen, wenn die Frachtfähre kommt.
Sarah hat in der Hauptstadt selbstverständlich, wenn sie dort ist, eine Mailadresse, ein IPhone und ein Bankkonto. Kelly lebt jetzt seit 2000 wieder auf seiner Heimatinsel und hat nichts dergleichen. Die beiden sind weltoffen, interessiert und haben ihre Meinung zur Politik, zum indischen Bevölkerungsanteil und deren Verhalten, haben feste Vorstellungen, was ihrem Paradies Fulaga guttut und was nicht. Auch Pläne für ihre Zukunft haben sie, die sie vielleicht nach Neuseeland oder Australien führen wird. Und Kelly äußert immer mal wieder, wie gut es sich hier leben lässt. Kommt die Fähre nicht, gibt es trotzdem immer genug Obst, Früchte, Fisch und Muscheln, um die Inselbewohner zu ernähren. Keiner muss Not leiden. Und was man hat, wird geteilt. Sehr viel arbeiten muss man für das Leben hier nicht. Kellys Lieblingsplatz ist in eine Mehr-Personen-Hängematte unten am Strand direkt hinter dem Haus. „Was will man mehr? Es ist das Paradies.“ Seiner Aussage gibt es wohl kaum etwas hinzu zu fügen.

Am Samstag haben wir die „Kelly-Family“ zu uns an Bord eingeladen. Die drei sind entsprechend der „Fidschi-Time“ pünktlich und Hermann holt sie vom Strand ab. Nach der Besichtigung der PACIFICO geht es Anker hoch und das kleine Stück durch die Bucht zu ‚Sarahs Island‘. Sie war schon einige Jahre nicht mehr hier und freut sich deshalb besonders über diesen Ausflug. Kelly kennt sich in der Lagune aus, wie in seiner „Westentasche“, weiß wo jeder Stein liegt, wo ein Riff oder eine Sandbank ist. Entsprechend sicher und auch ein bisschen stolz steuert er PACIFICO durch die Lagune.
Zum Lunch gibt es Chili con Carne mit Reis und frischem Knoblauchbrot, als Nachtisch frische Ananas, unsere letzte Wassermelone und Vanille-Joghurt. Bevor wir anfangen gibt es zunächst eine kurze Einweisung in unsere deutschen Essgewohnheiten: wir essen alle gemeinsam und wir essen mit Besteck, weil das Essen heiß ist und man sich sonst die Finger verbrennt. Wir lachen alle herzlich und es ist natürlich kein Problem.
Es ist ein toller Nachmittag, den wir mit den dreien verbringen. Viel zu schnell ist es Zeit den Rückweg anzutreten, sie wohlbehalten am Strand wieder abzusetzen und uns einen der traumhaften Ankerplätze für die Nacht und den nächsten Tag auszusuchen. Die anderen Boote sind mittlerweile alle am Landing vor Anker gegangen. Sicherlich wollen die anderen Yachties am morgigen Sonntag die Kirche besuchen. Da waren wir ja nun schon einmal und haben auf einen zweiten Kirchgang keine Lust.

Wir verbringen den Sonntag lieber in der Sonne und grillen abends am Strand. Unser Lagerfeuer aus der Glut der Grillkohle und gesammeltem trockenem Holz wird irgendwann von der kommenden Flut ergriffen. Sie bringt es, trotz unserer Dammbauten im Sand, zum Erlöschen. Zeit zurück zu rudern zu der in der Dunkelheit kaum auszumachenden PACIFICO und an Bord zu gehen.

Unser letzter Tag auf Fulaga ist angebrochen. Dienstagmorgen geht es Richtung Bay of Island im Norden. Noch einmal fahren wir nach ‚Sarahs Island‘. Wir haben die Erlaubnis uns dort Papaya zu pflücken. Danach geht es ins Dorf. Zum Abschied gibt es noch einmal Kava bei unserer Gastgeber-Familie. Vorher besuchen wir noch einmal den Chief, um uns auch von ihm zu verabschieden und uns für die schöne Zeit hier zu bedanken. Sarah begleitet uns und hat wie immer ihre Augen und Ohren überall. Sie ist mit Leib und Seele Insel-Krankenschwester und fühlt sich den Menschen hier nicht nur verbunden, sondern fühlt sich auch für ihr Wohlergehen verantwortlich. Wie aufmerksam sie jederzeit ist, konnten wir bei jedem Dorfbesuch beobachten. Sogar als sie bei uns an Bord war und ein Boot schneller als üblich durch die Lagune fuhr, wurde sie sofort aufmerksam und machte sich Sorgen, dass etwas passiert sein könnte und sie nicht erreichbar ist.
Wir tragen uns ins Gästebuch des Dorfes ein. Der Chief holt alte Fotos heraus und Sarah übersetzt für uns seinen Kommentar hierzu. Als jüngerer Mann hätte er elf Jahre an dem Kanu aus Holz gearbeitet, das auf einem der Fotos abgebildet ist. Mit einem Steinkeil hat er damals solange das Holz bearbeitet, bis das Kanu fertig war. Und diesen Steinkeil schenkt er uns jetzt zum Andenken an Fulaga. Wir sind überrascht und wissen gar nicht, wie wir zu dieser Ehre kommen.

Wir übergeben unsere letzten Geschenke an unsere neuen Freunde, während schon fleißig Kava getrunken wird. Kellys Bruder ist vorbeigekommen, der Pfarrer gesellt sich eine Zeitlang zu unserer Runde, die Crew der JOSHUA, eine Kusine Sarahs, die Großmutter Biju und wer gerade vorbeikommt. Kelly hat heute Morgen noch eine Schale als Abschiedsgeschenk für uns geschnitzt, die uns nun überreicht wird. Später musizieren die beiden Brüder und singen Fidschi-Lieder zu unserem Abschied. Es ist alles sehr herzlich.
SOTOTALE NEXT YEAR! (nächstes Jahr sehen wir uns wieder!)
Ob es tatsächlich so sein wird, weiß keiner von uns. Unsere Reisepläne für das nächste Jahr sind noch offen und Sarah wird in Suva im kommenden Jahr eine Hebammen-Fortbildung machen. Kelly wird zwischendurch hierher zurückkommen, um ein Haus fürs Alter und für seine Tochter zu bauen. Wir werden sehen.

Fast zuletzt haben wir noch einen Blick in den Dorf-Shop geworfen. Dort gibt es so gut wie nichts zu kaufen. Dagegen waren die kleinen Geschäfte in Puerto Eden, Chile, die reinsten Luxus-Supermärkte. Und dort gab es schon wenig.
Wir hatten uns in Suva erkundigt, was auf den Inseln gebraucht wird und entsprechend eingekauft.
Hier ein Auszug: Kernseife/Blockseife zum Wäsche waschen, Wäscheklammern, Mückenschutz, Streichhölzer, Milchpulver, Thunfisch in Dosen, Reis, Linsen, Mehl, Zucker, Kekse und ähnliches. Gefreut haben sie sich auch über Trinkschokolade, H-Sahne und Nudeln. Auf der Wunschliste für nächstes Jahr steht ganz oben an Schokolade.
Unsere Gastfamilie hat uns nicht ein einziges Mal das Gefühl gegeben, dass sie etwas von uns erwarten. Im Gegenteil. Wir sind nie mit leeren Händen aus dem Dorf zurück zum Boot gegangen. Mal waren es Papaya oder Süßkartoffeln, mal ein komplett fertig gekochtes Essen. Das mag auch daran liegen, das es ihnen finanziell gut geht, da Sarah mit ihrer Schwesterntätigkeit ein festes Einkommen hat. Was sie aus Suva brauchen, kauft ihr Vater dort zu günstigeren Preisen ein und schickt es per Fracht mit dem monatlichen Schiff hierher. Das können sich die meisten Dorfbewohner nicht leisten. Auch wohnen unsere neuen Freunde in einem staatlichen Haus, dass stabiler und besser gebaut ist, als die teilweise sehr, sehr ärmlichen Wellblechhütten. Wir mögen gar nicht denken, wir sollten in so einer Hütte übernachten.

Begeisterung zeigten die Dorffrauen und Kinder, wenn wir mit dem Fotoapparat aufgetaucht sind. Viele baten darum fotografiert zu werden. Die Kinder hatte ich in einer Traube um mich herum, wenn ich ihnen die Fotos gezeigt habe, die ich gerade vorher von ihnen gemacht habe. Die Frauen waren nur wenig zurückhaltender als die Kinder und hatten mindestens genauso viel Spaß daran.
So sind alle Fotos auf einen USB-Stick kopiert worden, von dem Sarah dann in Suva sicherlich Fotos ausdrucken lassen wird. Zum ersten Mal bedauern wir wirklich, dass wir keinen entsprechenden Drucker und Fotopapier an Bord haben.

Fulaga ist einer der schönsten Plätze unserer Reise. Fernab vom Tourismus hat sich diese Insel einen Teil ihres ursprünglichen Charmes bewahrt und wird damit zur seltenen Perle. Was wir vorher von Fidschi gesehen und erlebt hatten, hatte uns etwas verwundert, denn es heißt bei vielen Seglern, dass Fidschi fantastisch sein soll. Eine Meinung, die wir bisher so nicht teilen konnten. Die Ankermöglichkeiten sind häufig nicht richtig gut, oft wurden wir von den Resorts gebeten woanders hin zu gehen und auch die Menschen sind nicht so offen und freundlich, wie wir es bisher in der Südsee erlebt haben.
Natürlich freuen wir uns, wenn wir mal einen Kaffee oder Bier trinken gehen können oder gut einkaufen. Das ist dann auch schön. Aber es reizt uns nun einmal besonders, die Orte zu erleben, die vom Tourismus noch nicht verändert wurden und auch die unberührte Natur. Orte, die von der westlichen Welt noch nicht zu sehr geprägt wurden.
Wir ahnen, dass es manchmal sicherlich schwer nachzufühlen und zu verstehen ist, was wir auf unserer Reise erleben, wenn man beispielsweise in Deutschland lebt, eine schöne Wohnung oder Haus hat, gut eingerichtet ist, TV, Internet, Telefon, Waschmaschine, Kühlschrank, Handy, Zeitung, Autos, Supermärkte, unzählige Geschäfte mit allem Möglichen um sich hat, Theater- und Kinobesuche selbstverständlich sind, man jederzeit alles bekommen kann. Ein vielleicht bequemes Leben in einem selbst gewähltem Umfeld lebt. Wir haben einen Teil dieses Lebens aufgegeben, als wir unser Zuhause aufgelöst, die Autos verkauft haben und an Bord gegangen sind. Die Schilderungen unserer Erlebnisse und Eindrücke sind so, wie wir es wahrnehmen, unsere Sichtweise. Andere Reisende nehmen es anders war mit ihrem ganz persönlichen Fokus. Und wieder andere, die nach uns auf die Reise gehen, sollten unsere Berichte und unsere Erfahrungen nur als Idee nehmen und dann ihren ganz eigenen Weg finden, wollen sie diese Welt wirklich erleben.
Hier auf Fulaga wird die Zeit nicht stillstehen. Die Chiefs sind unterwegs in Verhandlungen, um einen Sendemast für TV, Mobiltelefon und Internet für Fulaga zu erhalten. Es war für uns besonders die Insel in ihrem Jetzt so zu erleben. Ein Zurück in dieses Jetzt kann es vielleicht bereits im nächsten Jahr wohl schwerlich geben.

Kelly und Sarah haben uns gesagt, in Fidschi sagt man nicht „Good Bye“, sondern immer „Sototale“ – „Auf Wiedersehen!“

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